@Plants and Stones

Plants and Stones:

Der Computer ist das größte Geschenk, das sich die Menschheit je gemacht hat.
Der Computer ist das größte Geschenk, das sich die Menschheit je gemacht hat.

Du hast in den 90er Jahren an der VR-Technologie gearbeitet, als sie noch in den Kinderschuhen steckte.

Ich kam 1992 als studentische Hilfskraft an ein Institut der damaligen GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung) namens VisWiz unter der Leitung von Wolfgang Krüger. Dort arbeiteten wir mit modernster Hardware wie Silicon Graphics Workstations und entwickelten spektakuläre Demos, die zeigten, was technisch möglich war. Ich musste einen virtuellen Raum vertonen, was eine steile Lernkurve mit sich brachte. Das war das intensivste Jahr meines Lebens. Die Arbeit basierte oft auf Papieren russischer Wissenschaftler aus den 60er Jahren.

„Die Arbeit basierte oft auf den Papers russischer Wissenschaftler der 60er Jahre.“

Nach dem Crash am Neuen Markt habe ich nach einem stabileren Beruf gesucht und ihn im IT-Bereich einer Versicherung gefunden. Hier beschäftige ich mich mit Infrastrukturdesign und Sicherheitsfragen.

Wie bist du auf Midjourney aufmerksam geworden und was hat dich dazu bewogen, es auszuprobieren?

Im März 23 sah ich die ersten beeindruckenden Bilder, die mit Midjourney erstellt wurden. Ich musste es einfach ausprobieren, weil mich die Möglichkeiten der KI fasziniert haben. Seitdem experimentiere ich mit verschiedenen Prompts und Techniken, um emotionale und visuell ansprechende Bilder zu erzeugen. Es macht mich immer nervös, wenn ich von Dingen überrascht werde, von denen ich keine Ahnung habe, was sie sind. Letztes Jahr ging alles Schlag auf Schlag: Die ersten ChatGPT-Stories machten die Runde (ich erinnere mich an einen Artikel in der NY Times, in dem der Reporter beschrieb, wie er eine Art Psychose beim Chatbot auslöste und danach Alpträume hatte), dann diese Geschichte von jemandem, der mit seinem KI-generierten Bild einen Preis gewonnen hatte, und irgendwann musste ich es einfach selbst ausprobieren. Der Rest ist bekannt.

„Es macht mich immer nervös, wenn ich von Dingen erwischt werde und dann keine Ahnung habe.“

Was ist dir wichtiger – das Ausprobieren technischer Möglichkeiten oder der kreative Prozess?

Wenn ich kein Spielkind wäre, wäre ich jemand anderes. Was ich sehe, muss ich in die Hand nehmen, drücken, Geräusche damit machen, egal wo. Der Computer ist für mich das universelle Spielzeug – nicht nur wegen der Spiele, sondern weil er alles kann, was ich von ihm will. Der kreative Prozess (das klingt jetzt fast überheblich) passiert nebenbei. Wenn es mich wirklich fesselt, dann bleibe ich dabei. Komplexität schreckt mich dabei nicht ab, im Gegenteil. Traurig ist nur, dass das in meinem Umfeld kaum jemand versteht. Für die meisten ist der Computer ein (oft lästiges) Werkzeug. Für mich ist er das größte Geschenk der Menschheit.

„Der Computer ist für mich das universelle Spielzeug – nicht nur wegen der Games, sondern weil er kann, was ich von ihm will.“

Wie machst du ein Bild? Wie schreibst du deine Prompts?

Es gibt ja Leute, die halbe Romane (und manchmal sogar Gedichte) schreiben. Ich bewundere die Inbrunst, glaube aber, daß man damit entweder die KI überlastet oder zu sehr ins Ungefähre abgleiten läßt. Das kann zu ästhetischem Reiz führen, aber ich arbeite da anders. Meistens stelle ich mir vorher vor, was ich sehen will und beschreibe es. Dann habe ich ein ‚Framework‘ von Begriffen, bei denen ich weiß, welcher Stil am Ende herauskommt (Noir, Glamour, ‚besonders schönes‘ Niji). All zu viele Gedanken mache ich mir freilich auch nicht, ich sitze nie länger als eine Minute am Prompt. Das Ergebnis bestimmt dann, wie ich weitermache.
Manchmal habe ich auch nur einen abstrusen Gedanken oder einen Ausdruck statt einer Szene im Kopf. Das bringt manchmal auch gute Bilder, nur sind die meist nicht reproduzierbar.
Dann wird das zu „something is wrong, in the style of Ellen von Unwerth, black and white, blabla…“ 😄 Ich bin da kein Dogmatiker: ich probiere aus, was ich finde oder mir einfällt und spiele dann weiter. Enorm hilfreich sind natürlich die Heroes der Szene mit ihren Tutorials oder Prompting-Tips.

Mein allererster Prompt in MJ war übrigens „construction plan of a zero gravity toilet, black ink on white paper, technical documentation –v 4“  Und das kam dabei raus: ich muß sagen, ich fand das gar nicht schlecht! 🙂

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Ein weiterer 1st day Prompt: „Rejected building design for a J. Edgar Hoover Library, style between Art Deco and Neo-Renaissance.“ mit diesem Ergebnis:

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Sieht schwer nach DALL-E aus! Den habe ich vor ein paar Tagen nochmal wiederbelebt: „black and white editorial shot, Rejected building design for a J. Edgar Hoover Library, in the style of Art Deco and Brutalism and Neo-Renaissance, 1940s, small town environment, by Lewis Baltz“. Schon besser:

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Wer sind in deinen Augen die Helden der Szene bzw. wo schaust du dir die Tutorials an?

Oh, da gibt es so viele. Angefangen habe ich mit
@LudovicCreator, @ai_artworkgen, @Artedeingenio, @techhalla und Sharing-Communities wie  https://twitter.com/i/communities/1680626562616401920. Denen folge ich auf X und kriege natürlich mit, was in der Szene so lauft, aber mittlerweile sind @summerinthesim und @bri_guy_ai meine Lieblinge, weil die sich über das bloße Erstellen von Bilder noch etwas prinzipiellere Gedanken zu Community-Building (Brian) und Themen, Farben, Kuratieren (Summer) machen. Letztere haben vor kurzem noch sehr gute Tutorials herausgegeben, siehe SummerInthesim auf X und bri_guy_ai auf X .
Das scheint ein Trend zu sein, dem auch @kattlatte folgt, die vor kurzem ebenfalls ein Tutorial veröffentlicht hat (kattlatte auf X) – sie macht tolle Sachen mit niji. Ich sollte das auch mal angehen, mal sehen, ob’s die Zeit hergibt.

Wie siehst du die Zukunft von KI-Tools wie Midjourney und die Rolle von Sora?

Die Entwicklung der KI wird stark von rechtlichen und finanziellen Faktoren beeinflusst. Werkzeuge wie Sora könnten innovative Möglichkeiten bieten, sind aber noch sehr ressourcenaufwändig. Langfristig wird sich der Markt weiterentwickeln und demokratisieren, auch wenn der Zugang zu fortgeschrittenen Tools für viele eine Herausforderung bleiben wird. Noch interessanter finde ich die wirklich spannenden Entwicklungen über das technisch Machbare hinaus: Was kann ich mit KI-generierter Kunst noch darstellen? Welche Geschichten erzähle ich damit? Kann ich damit das Sehen und Erleben verändern (positiv oder negativ)? Vieles ist noch offen. Tatsächlich werden solche Fragen, die bisher vor allem in der Kunstszene verhandelt wurden, auf den Alltag vieler ahnungsloser Menschen treffen, die von KI-Kunst vermutlich überrumpelt werden. Man sollte die Leute langsam dazu bringen, ihren Augen nicht mehr zu trauen, der Papst in Balenciaga war für viele schon sehr lehrreich.

„Die wirklich interessanten Entwicklungen über das technisch Mögliche finde ich mittlerweile sogar interessanter: was kann ich mit KI-generierter Kunst noch alles darstellen?“

Deepfake und Copyright sind wirklich große Probleme. Glaubst du, dass man das irgendwie in den Griff bekommen kann?

Menschen handeln wie Menschen immer handeln: selbst aus den schönsten Dingen gelingt es manchen Scheiße zu bauen. Die bisherigen Lösungsstrategien (Regulieren, Verbieten, Bekämpfen) sind alle erfolglos; zum Glück! Denn welche Autorität sollte mir vorschreiben dürfen, welche Tools ich zu nutzen habe? Ich bin kein Freund staatlicher Regulierung, weil die Regelwerke oft in Hinterzimmern und häufig zuungunsten vieler beschlossen werden. Intransparenz, Korruption und Mauscheleien bei der Vergabe von Lizenzen, der Ausstattung von Betriebssystemen verschieben die Probleme oft genug weiter – und am Ende bekommt einfach nur jemand anderes das Geld.

Blicken wir mal auf mögliche Ursachen für diese Fehlentwicklungen. Zum einen haben wir diesen rasanten technischen Fortschritt, der viele überfordert: das ist ein Bildungsproblem. Ob die Überforderung darin besteht, daß man das Hirn abschaltet und sich nicht ums Thema kümmert oder nur die negativen Aspekte des Themas wahrnimmt, läuft auf dasselbe hinaus.

Das Thema Copyright ist nicht so homogen wie es die Ersteller von Inhalten gerne hinstellen. Die New York Times hat gegen OpenAI geklagt und sagt: die klauen unsere Inhalte. Andererseits nutzt die Times aber offenbar selber Chatbots beim Verfassen von Artikeln, wie vor Wochen beim Auftauchen des Wortes „delve“ (ein Hinweis auf ChatGPT-Texte) herauskam. Man könnte das inkonsequent finden. Beim Thema Copyright denke ich auch an die Dauerwurst „Verlage gegen Google“: was sind da auf seiten der Verlage für dicke Töne gespuckt worden, wie sehr versuchten sich Politiker mit der ‚Europäischen Suchmaschine‘ zu profilieren – und wie sehr ist das alles gescheitert und blieb man auf Google angewiesen. Auch das gehört in die Kategorie Bildungsproblem (zumindest auf individueller Ebene), ist aber letzten Endes reine Politik und Kampf um Pfründe. Als Nutzer/Verbraucher oder (individueller) Content-Creator kommt man in diesen Szenarien nicht vor.

Was sind deine nächsten Projekte, die du angehen willst, oder in welchen Tools willst du dich weiter einarbeiten?

Beginnen wir mit den Werkzeugen: Stable Diffusion steht ganz oben. Ich habe schon einige Anbieter getestet, momentan scheint mir ThinkDiffusion ein guter Anbieter zu sein, das Bezahlmodell für ihren Cloud-Service ist nachvollziehbar. Warum SD? Weil mir die Zensur bei MidJourney immer mehr auf die Nerven geht. Das fängt bei ‚bösen‘ Wörtern an oder wenn ich bestimmte Wörter in ‚bösen‘ Zusammenhängen verwende und dann einen Klaps auf die Finger bekomme. Diesen Stress habe ich mit SD nicht, auch wenn diese Software einem ungleich mehr abverlangt als MJ. Ansonsten möchte ich auch endlich wieder mehr Krach machen, zum Glück tut sich im Audiobereich wieder was. Suno fand ich schon sehr beachtlich, udio legt noch eine Schippe drauf: das ist alles ganz hervorragend (und wird sicher bald Urheberrechtsprobleme für diese Hersteller geben, sobald sie genügend Fallhöhe haben). Aber auch Kompositionswerkzeuge wie Scaler oder der ‚musikalische Scaler‘ EQ sind ganz tolle Sachen. Ich halte da immer die Augen offen und stürze mich auf alles, was mich spielen lässt.
Projekte sind ein bisschen schwieriger. Ich hatte mal ein Projekt, bei dem ich Tastaturen für meinen Computer selbst gebaut habe, aber das war Ingenieurskunst und keine Kunst. 😄 Was mir wichtig ist, neben dem Feilen am eigenen Stil (dazu komme ich gleich), ist vor allem Kontakt zu anderen zu bekommen und (schwieriger!) zu halten. Der Kontakt zu Dir z.B. ist ein Ergebnis meiner Arbeit, über das ich mich sehr freue; es ist wichtig für mich, Kontakt zu Menschen zu haben, die einen ganz anderen Hintergrund haben als ich und in einem ganz anderen Alter sind als ich. Ich finde das sehr inspirierend und hoffe, dass ich auch etwas zurückgeben kann.
Bei der Entwicklung meines eigenen Stils stelle ich übrigens immer wieder fest, dass ich keinen habe, zumindest keinen visuellen. Mir wird schnell langweilig, deshalb probiere ich immer wieder etwas anderes aus. Aber es gibt ein Grundthema, das mich immer wieder antreibt: Das ist die Suche nach Ausdruck.

Wie stehst du zur These, dass KI-Kunst den elitären Schaffensprozess demokratisiert? Ist es wirklich so, dass jeder mit Tools wie Midjourney oder Stable Diffusion als Künstler erfolgreich sein kann?

Ehrlich gesagt glaube ich das nicht. Mit Midjourney und ähnlichen Tools bekomme ich immer etwas Ansprechendes hin, aber ohne Konzept, ohne Kontext und ohne Ausdruck wird es sofort wieder vergessen. Ich glaube aber, dass Kunst vor allem durch ihre Rezeption entsteht. Es ist nicht nur der Künstler, der Kunst macht, sondern es gibt auch diese Zustimmung des Publikums, dass diese Kunst als solche existiert. Wenn diese Zustimmung fehlt, kann ich mich noch so sehr als Künstler fühlen, es bleibt nur meine Meinung.
Daran ändern Tools wie MJ oder SD überhaupt nichts. Im Bereich der generativen KI gibt es zumindest die NFT-Szene und vielleicht noch den Follower-Count als Währungen, die die Anerkennung durch das Publikum widerspiegeln. Aber je geringer der Wert in diesen Währungen ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass meine subjektive Einstellung ‚was ich mache ist Kunst‘ von der Öffentlichkeit bestätigt wird. Das kann noch so demokratisiert sein: Wenn keiner meine Sachen mag, bleibe ich mit meiner Meinung allein, bin ein König ohne Land.
So wie ich den Kunstmarkt bisher verstanden habe, geht ohne Connections sowieso nichts. Da kann ich noch so begabt sein und vor Ideen sprühen, ohne Resonanz und die Fürsprache von Mäzenen und Galeristen geht gar nichts. Diese Arbeit nimmt mir auch MJ nicht ab, das wird gerne verschwiegen, wenn von der Demokratisierung der Kunst die Rede ist. Deshalb beobachte ich diesen permanenten Kampf von Menschen, die als Künstler leben wollen, sich in der Szene durchzusetzen und bekannt zu werden; das muss sehr anstrengend sein.

Short profile

Name: Manfred Berndtgen
Nationalität: Deutsch
Beruf: Technischer Architekt

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